So geht zukunftsfähiges Corporate Learning: 5 Thesen zu Lernkultur, -architektur und -formaten

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Lernen und Arbeiten wachsen zusammen und werden zunehmend agiler, selbstbestimmter, vernetzter, kollaborativer. Statt klassischer Weiterbildungskataloge voller Classroom Trainings sind Unternehmen gefragt, eine Lernkultur zu etablieren und diese mit wirksamer Lernarchitektur und relevanten Formaten zum Leben zu erwecken. Lust auf ein paar Thesen und Impulse als Denkanstöße?

Jeder von uns hat - Covid sei Dank - in den letzten 1,5 Jahren gewohnte Bahnen der Arbeitsroutinen verlassen und eine steile Lernkurve hingelegt. Auch Skeptiker haben in den letzten Monaten verstanden, dass Erfahrung und “altes” Wissen zunehmend gegen Agilität und Experimentierfreude verliert. Stattgefunden hat das Lernen nämlich nicht mit aufbereitetem Wissen im Seminarraum, sondern durch eigenes Handeln in unterschiedlichen Ad-hoc-Situationen am Arbeitsplatz. Und spätestens seit neuer Hybrid-Work-Standards ist die 70-20-10-Regel aktueller denn je: Lernen findet nur noch zu einem kleinen Teil (10%) mit aufbereitetem Wissen im Seminarraum statt, sondern primär im Austausch mit anderen (20%) und durch eigenes situatives Handeln am Arbeitsplatz (70%).

Doch wie so oft hinkt die praktische Umsetzung der theoretischen Einsicht hinterher: In den wenigsten Unternehmen sind Qualifizierungsangebote den neuen Anforderungen ans Lernen gewachsen, sondern nach wie vor von klassisch-frontalen Classroom Trainings dominiert.

Es gibt viel zu tun. Wo aus meiner Sicht die größten Handlungsfelder zeitgemäßer Kompetenzförderung liegen, habe ich in fünf Thesen formuliert.

 

1. Um als Organisation zukunftsfähig zu sein, braucht es ein Update der Lernkultur.

Lernkultur ist der Ausdruck des Stellenwertes, der Lernen im Unternehmen zukommt. Sie verbindet ein offenes Mindset, die unabhängige Suche, geteiltes Wissen mit der Mission und den Zielen einer Organisation.

Wie ist es um die Lernkultur in Unternehmen bestellt? Lassen wir aktuelle Zahlen sprechen:

    • Ganze 10% der Organisationen können auf eine Lernkultur verweisen.
    • Gerade einmal 20% der Angestellten überzeugen mit einem effektiven Lernverhalten.
    • Laut einer LinkedIn-Untersuchung waren 50% der heute am meisten gesuchten Fähigkeiten vor drei Jahren noch gar nicht auf der Liste.
    • Wer in seinem Job bleibt, wird in den nächsten 5 Jahren 40% seiner Kernkompetenzen verändern müssen.

OK, da geht noch was. Aber welche Rolle spielt eine lebendige Lernkultur eigentlich? Business Analyst Josh Bersin bringt es treffend auf den Punkt: “Lernkultur bedeutet Leben oder Tod für viele Organisationen”. Lernen, geteiltes Wissen, Offenheit und Experimentierfreude werden wichtiger und zeitkritischen, müssen also lebendige integrale Bestandteile der Unternehmenskultur sein.

 

2. Personalisierte Lernpfade verdrängen "One-fits-all"-Angebote.

Durchschnittlich 70% des Lernens findet im individuellen Anwendungskontext statt. Und mit zunehmender Komplexität und Granularität von Job-Profilen wird der “One-fits-all”-Ansatz in der Weiterbildung zum Auslaufmodell.

Gefragt und erwartet werden individuell passgenaue Qualifikationsempfehlungen, Lernpfade und Inhalte. Der Lernprozess wird nach dem konkreten Bedarf, dem persönlichen Set-up, den technischen Möglichkeiten und dem individuellen Zeitbudget ausgerichtet. Die Heterogenität der individuellen Rahmenbedingungen stellt Organisationen hierbei vor komplexe Herausforderungen.

Gleichzeitig gehen die Ansprüche der Lernenden mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung einher. Wenn Lernen persönlich relevant sein soll, kann es keine bequeme Full-Service-Lieferung mehr sein. Stattdessen gilt Pull statt Push: Im Sinne der Personalisierung wird Lernen zum Großteil selbst organisiert und umgesetzt.

 

3. Klassische punktuelle Wissensvermittlungs-Events verlieren gegenüber Lernerlebnissen und -programmen.

Ein- bis zweimal im Jahr für 3 Tage in ein schickes Tagungshotel, um eine Druckbetankung zu Programmierung, Projektmanagement oder Personalführung zu bekommen? Relikte der Vergangenheit! MitarbeiterInnen wollen heute bedarfsorientiert neues Wissen tanken statt auf Vorrat zu lernen. Laut einer Gartner Studie erwarten 57% der Angestellten ein effizientes Just-in-time-Lernen.

Viele neue Kernkompetenzen, wie z.B. Kollaboration, Kreativität oder komplexe Problemlösung, bedingen neue Einstellungen und Verhaltensweisen. Diese lassen sich durch klassische Trainings nur bedingt “installieren”. Im besten Falle werden sie kontinuierlich geübt und ausgebaut. Für echte Einstellungs- und Verhaltensänderung macht es Sinn, über punktuelle Lern-Events hinaus in nachhaltig angelegten Multi-Format-Programme zu denken, die Input mit theoretischem Selbststudium, praktischer Anwendung und sozialer Interaktion kombinieren. Wirksame Qualifizierungsprogramme bieten …

    • … selbstbestimmte Anwendungskompetenz,
    • … flexible Formate und Module, die sich in den Arbeitsalltag gut integrieren,
    • … selbstorganisierte „Peer to peer“ Lernkreise,
    • … regelmäßige Impulse von außen und
    • … personalisierte durch TeilnehmerInnen mitbestimmte Themen und Formate.

 

4. Digital wird zum Default-Modus und physische Events zum exklusiven Highlight.

Bereits Anfang 2020, d.h. vor der Pandemie, waren 80% der Angestellten ohne Schreibtisch arbeitsfähig. Allerdings sind Weiterbildungsinhalte auch heute noch in vielen Unternehmen nur in geringem Maße auf mobiles Lernen ausgelegt. Dabei sind Digitalisierung, Automatisierung, Flexibilisierung logische Antworten auf die Frage nach maximaler Lerneffizienz. Der Zugriff auf Lernangebote sollte niedrigschwellig, nicht an Ort und Zeit gebunden, “snackable” und interaktiv sein. Digitale Formate sind hier prädestiniert, um dem individuellen Bedarf, der Selbstbestimmung, der Vernetzung und der Interaktion gerecht zu werden.

Wie beschrieben verschiebt sich der Fokus beim Wissenserwerb weg vom Lern-Event hin zum nachhaltigen hybriden Programm: Sinnvoll ist eine integrierte Kombination aus E-Learning in Eigenregie, z.B. nach dem Flipped-Classroom-Ansatz (Wissensvermittlung), Transfer (z.B. Ausprobieren, Anwendung und eigene Erfahrung) und Veranstaltungen (Erfahrungsaustausch und -erweiterung, Reflektion). Diese - oft physischen - Events werden dann zu exklusiven Treffen von frischgebackenen ExpertInnen zum jeweiligen Lernthema, was deutlich mehr Tiefe und Substanz zulässt als die Präsenzschulungen der Vergangenheit. So konzipiert sind die auf den ersten Blick hohen Aufwände (Räumlichkeiten, Reisekosten etc.) locker gerechtfertigt.

 

5. Education-Technology-Entwicklungen eröffnen didaktischen und methodische Möglichkeiten.

Die erwähnten personalisierten Lernpfade erfordern smarte lerntechnologische Lösungen. Kein Wunder, dass der Bereich Education Technology (kurz: EdTech) rasant wächst.

Zu den relevantesten Technologien zählen IoT (Internet of Things), XR (Augmented / Virtual / Mixed Reality) und KI (Künstliche Intelligenz). Technologiegestützt können verschiedene Inhalte, Methoden und Formate flexibel und bedarfsgerecht kombiniert werden. Durch die intensiv-immersive Primärerfahrung holen vor allem Mixed-Reality-Anwendungen auch all die Lerntypen ab, die durch klassische Informationsvermittlung nicht angesprochen werden. Während anfangs XR vorwiegend im physischen Bereich (Maschinennutzung) eingesetzt wurden, gewinnen aktuell auch nicht-physische Trainings (Rhetorik, Change etc.) an Bedeutung.

Bei aller Technologiebegeisterung sollte nicht vergessen werden, dass auch die besten Technologien nichts bringen, wenn diese nicht sinnvoll integriert werden.

 

Und was ist jetzt konkret zu tun?

Ein geteiltes Verständnis, dass die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens an den Kompetenzen und Qualifikationen der MitarbeiterInnen hängt, ist ein wichtiger Startpunkt. Um MitarbeiterInnen bei der Kompetenzentwicklung wirksam unterstützen, sind neue Lernkulturen und -angebote gefragt. Personalentwicklung und Führung sollten dabei folgende Leitprinzipien beherzigen:

  • selbstbestimmtes, kompetenzorientiertes Lernen im Arbeitskontext,
  • flexible Formate, die sich in den Arbeitsalltag gut integrieren,
  • selbstorganisierte „Peer-to-peer“ Lernkreise,
  • regelmäßige Impulse von außen und
  • personalisierte durch Teilnehmer mitbestimmte Themen und Formate.

Was sind eure Erfolge und Stolpersteine auf dem Weg zur lernenden Organisation?

Ich freue mich auf den Austausch.

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